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Entwicklung eines Modells zur Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft von Lehrenden im Hinblick auf Feedbacksituationen am Beispiel von TutorInnen der Höheren Mathematik (HM)

Kuntze-Fechner, Amélie

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Zugriffsbeschränkung: nur innerhalb des Universitäts-Campus
BK - Klassifikation: 31.04
DDC-Sachgruppe: Handel, Kommunikation, Verkehr
Dokumentart: Monographie
ISBN: 978-3-8428-3139-1
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2012
Publikationsdatum: 30.06.2015
Kurzfassung auf Deutsch: Einleitung: In Weiterbildungen für Lehrende, in Lehrerfortbildungen und in hochschuldidaktischen Angeboten wird viel mit dem Element der Reflexion der eigenen Lehrtätigkeit gearbeitet. Aber: Ist das überhaupt gerechtfertigt? Gibt es Messinstrumente, die erfassen, wie reflektiert eine Lehrperson ist (Frage 2) bzw. wie eine Veränderung der Reflexion zum Beispiel durch eine Fort- oder Weiterbildung erfasst und bewertet werden kann (z.B. durch Vorher-Nachher-Befragungen/‚Kompetenz’-Tests)? Und: heißt das, wenn jemand reflektierter ist, dass er professioneller in der Lehre ist, also auch professioneller handelt? Insbesondere den Fragen nach der Relevanz von Reflexionsfähigkeit (Frage 1), der Modellierung des Phänomens (Frage 3) und der Möglichkeit der Erfassung (Frage 2) soll in dieser Arbeit nachgegangen werden. Dies wird am Beispiel von studentischen Tutoren (im Folgenden nur noch mit Tutoren bezeichnet), also Studierenden, die in der Lehre tätig sind, beantwortet. Der empirische Teil umfasst eine leitfadengestützte Interviewbefragung mit sechs Tutoren der Höheren Mathematik an der Universität Stuttgart. Diese werden speziell zu Feedbacksituationen, also zu Situationen, in denen die Tutoren den Studierenden Rückmeldung zu deren Leistung, Verhalten und Lernfortschritten geben, befragt und zur Qualität des gegebenen Feedbacks. Ziel dieser Befragung ist es, das vorher aufgestellte Modell zu überprüfen und erste Ideen für ein Instrument (bzw. die Weiterentwicklung des Instruments) zu entwickeln, mit dem die Reflexionsfähigkeit (am Beispiel von eigenem Feedbackverhalten) von Tutoren erfasst werden könnte. Der Einsatz dieses Instruments kann beispielsweise im Rahmen einer Weiterbildung, wie z.B. einem Tutorenqualifizierungsprogramm, interessant sein, wenn evaluiert werden soll, ob sich die Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft anhand der Qualifizierung verändern. Für die Beantwortung der Frage nach der Relevanz und der Möglichkeit der Erfassung ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, inwiefern das Konstrukt ‚Reflexionsfähigkeit’ mit anderen Konstrukten, wie z.B. den subjektiven Theorien und dem professionellen Handeln, zusammenhängt. Die Notwendigkeit der thematischen Einordnung und Abgrenzung liegt auch daran, da das Thema dieser Arbeit, äußerst komplex ist - es tangiert die Kognitions-, Motivations- und die Handlungsforschung und, da es sich um einen Lehr- und Lernkontext als Reflexionsobjekt handelt, auch Untersuchungen zur Unterrichtsqualität und deren Bedingungsfaktoren (siehe Kapitel 6). So wird zum Beispiel dem Aspekt des richtigen Umgangs mit Fehlern und der Fehlerforschung ein großer Stellenwert eingeräumt, da Feedback (insbesondere in der Mathematik) häufig auf Fehler erfolgt. Um die Komplexität des Themas zu veranschaulichen, wird es daher in Kapitel 2 anhand einer graphischen Darstellung präziser erklärt. Die methodische Vorgehensweise, Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft über Interviews zu erfassen, beinhaltet zentrale Grundannahmen, die erfüllt sein müssen und in Kapitel 7 vorgestellt werden.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Abbildungsverzeichnis3 1.Einleitung: Vorstellen der Relevanz des Themas und der Struktur der Arbeit4 2.Erklärung des Themas anhand eines Modells6 3.Definition des Begriffs ‚Reflexion‘ und Dimensionen der Reflexion7 4.Beschreibung der in der Feedbacksituation wirkenden Kräfte anhand eines Handlungsmodells11 5.Einbettung der Phänomene ‚Reflexionsfähigkeit und Reflexionsbereitschaft‘ in die Theorie und Forschungslandschaft17 5.1.Einbettung der Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft in (Kompetenz)modelle zur Professionalität von Lehrenden17 5.2.Zusammenhang zu (Handlungs-)Wissen und Kognition20 5.3.Einbettung in das Themengebiet ‘subjektive Theorien’ und epistemologische Überzeugungen23 5.4.Befunde zu Wissen und subjektiven Theorien als handlungssteuernde Elemente27 5.5.Moralisches Handeln als Ziel-/Orientierungsdimension29 5.6.Diagnose-/Beurteilungsfähigkeit und Attribuierung von Erfolg/Misserfolg31 5.7.Format und Lernziele des HM-Tutoriums und spezieller Auftrag an Tutoren als Orientierungs-/Zieldimension35 6.Feedbacksituationen auf der Inhaltsdimension von Reflexion37 6.1.Definition von Feedback und allgemeine Regeln für das Geben von Feedback38 6.2.Fehlerkultur und ‚richtiger’ Umgang mit Fehlern39 6.2.1.Unterscheidung von Fehlerarten39 6.2.2.Feedback auf Fehler - mögliche Lehrerreaktionen40 6.2.3.Beschreibung einer ‚positiven’ Fehlerkultur41 6.3.‚Ideales‘ Feedbackverhalten in Abhängigkeit vom richtigen Umgang mit Fehlern im HM-Tutorium42 7.Normatives Verständnis der idealen Reflexionsfähigkeit: Recherche zur Entwicklung von Kriterien zur Modellierung43 7.1.Überblick zur Forschung und Evaluationsmethoden zu Lehrkognitionen und ähnlichen Phänomenen44 7.1.1.Orientierung an Gibbs Reflexionsschritten bei der Modellierung des Phänomens45 7.1.2.Orientierung an ähnlichen untersuchten Phänomenen48 7.2.Modellierung der Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft (Kriterien)51 8.Empirisches Vorgehen bei der Erfassung von Reflexionsaussagen56 8.1.Qualitative Forschung und Grenzen des Instruments56 8.2.Vorstellung des Instruments zur Erfassung der Reflexionsfähigkeit58 8.3.Untersuchungsdesign59 8.4.Vorstellung der Ergebnisse und deren Auswertung60 8.5.Interpretation der Ergebnisse67 8.6.Ideen für die Weiterentwicklung des Fragebogens69 9.Schluss72 9.1.Weiterführende Überlegungen zur möglichen Erfassung des Phänomens72 9.2.Weitere damit zusammenhängende interessante Forschungsfragen74 Literatur76 Internetquellen81 Anhang82Textprobe:Textprobe: Kapitel 5.3., Einbettung in das Themengebiet ‘subjektive Theorien’ und epistemologische Überzeugungen: Die Reflexion des eigenen Lehrverhaltens und eigener Wissensstrukturen hängt eng mit den subjektiven Theorien und der Forschung dazu zusammen. Je nach Definition von Kompetenz, Wissen und subjektiven Theorien, können subjektive Theorien im engeren Sinne als Theorien speziell zu Lehr-Lernsituationen gesehen werden (ähnlich dem Wissen zu Lehre, Lernen usw.). Die Begriffstrennung zwischen den drei Phänomenen wird hier nicht direkt vorgenommen, da sie in der Literatur nicht einheitlich ist und z.B. subjektive Theorien wie Wissen auch eine steuernde Funktion haben. Unter subjektiven Theorien sind laut Helmke relativ stabile Überzeugungen (er nennt als Beispiele Einstellungen und Motive) zu verstehen, die ein Mensch hat, um seine Umwelt für sich zu erklären. Sie fungieren als Erklärungs- und Wissenssystem (in ihrer Funktion sind sie also ähnlich einer wissenschaftlichen Theorie) (vgl. Helmke 2003, S. 53; Groeben u.a. 1988, S. 19). Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Theorien sind sie aber als subjektive Aussagen- und Überzeugungssysteme zu sehen, die nicht durch empirische Studien systematisch belegt werden, sondern durch Erfahrungen und damit einhergehend nicht immer durch Analysen von logischen Beziehungen (weiter-)entwickelt werden. Sie können eher als eine naive, implizite oder Alltagstheorie verstanden werden und umfassen auch die Einstellungen der Lehrer über angemessenes didaktisches Handeln. Eine subjektive Hypothese könnte beispielsweise sein ‘Wenn der Lehrer trotziges Verhalten duldet, dann greift dies auf andere Schüler über’ (Groeben u.a. 1988, S. 63). Wie wissenschaftliche Theorien auch dienen sie der Erklärung (auch im Sinne einer zeitlich nachgeordneten Reflexion-über-die-Handlung) und Vorhersage von Handeln, Situationen, Ergebnissen usw. Wie in dem Handlungsmodell abgebildet, sind diese Einstellungen und Wissensstrukturen handlungsleitend. Subjektive Theorien haben bei der Bewertung von Handlungen (also der Reflexion über diese) eine zentrale Bedeutung. Die agierende Person denkt über ihre Umwelt nach, versucht, diese zu erklären, das Erklärungs- und Wissenssystem funktionstüchtig zu halten und stellt dabei immer wieder den Bezug zu sich selbst und ihren Erfahrungen her (vgl. Kaltenbach 1996 zit. n. Warneke 2006, S. 10). ‘Im Erkennen eigener Werthaltungen, Pläne, Absichten und Strategien kommt es entweder zum Einfügen der Erkenntnisse in bisherige Erklärungs- und Handlungsmuster (Assimilation), oder es kommt zur Ausformung neuer Handlungsmuster bzw. neuer kognitiver Schemata, wenn das Erkannte Widersprüche und Handlungsbarrieren mit Blick auf den Auftrag, die Zielgruppe, die institutionellen Vorgaben hervorruft (Akkomodation)’ (Szczyrba 2009, S. 165). Subjektive Theorien sind durch häufige Assimilationen sehr stabil und relativ mental überdauernd – im Gegensatz zu Einzelkognitionen (vgl. Dann 1983 zit. n. Groeben u.a. 1988, S. 18). Dies gilt insbesondere im Lehrkontext, da Lehrende selten eine Rückmeldung zu ihrem Lehrverhalten erhalten und ein Anlass zur Akkomodation in der Lehre selten gegeben ist. ‘Ohne Feedback seitens der Schülerinnen und Schüler, in einer noch immer vorherrschenden individualistischen Berufskultur von Lehrkräften, ohne Verständigung über Unterricht und Unterrichtsprobleme, von gemeinsamer Unterrichtsvorbereitung und -durchführung ganz zu schweigen, wird sich hieran auch wenig ändern’ (Wahl 1991, zit. n. Helmke 2003, S. 197). Zudem sei es schwierig in der Lehre ‘mangels deutlich umrissener Ziele und rascher, klarer und interpretationsfreier Rückmeldungen’ (Neuweg 2007, S. 3) aus Handlungen und den Folgen daraus zu lehren (vgl. Neuweg 2007, S. 3). Dies ist aber insbesondere im Hinblick auf Erfahrungslernen wichtig (vgl. Neuweg 2007, S. 3). Auch deshalb erscheint es aussichtsreich, bereits während der Lehrerausbildung subjektive Theorien zu thematisieren, sie im Rahmen von Lehrveranstaltungen und Lehr-Proben zu rekonstruieren (Helmke 2003, S. 197). Ein Arbeiten mit subjektiven Theorien ist vor allem auch dann wichtig, wenn Unterricht oder Lehre verändert werden soll, da beispielsweise Unterrichtsentwicklungsprogramme sonst nur oberflächliche Effekte haben. Lehrkräfte ändern dann nur ihren Unterricht oberflächlich und nicht effizient (vgl. Helmke 2003, S. 197), wenn die Entwicklung nicht auch parallel mit einer Entwicklung der subjektiven Theorien einhergeht. Diese ‚Starre’ ist naheliegend und nachvollziehbar, wenn man die Struktur von subjektiven Theorien als Wissensstruktur sieht, die über mehrere Ebenen vernetzt sind und häufig sich selbst bestätigen. Laucken differenziert Aussagen zu Subjektiven Theorien bzw. dieses ‘umgangspsychologische Handlungswissen’ (Laucken 1982, S. 95) und versucht, in einem Schema unterschiedliche Formen auszumachen und zu ordnen. Er differenziert zwischen Fallwissen, Herstellungswissen, Regelwissen, Funktionswissen und Grundwissen (vgl. Laucken 1982, S. 95 f.). ‘Vom Fallwissen bis zum Grundwissen werden die ‚Wissensbestände’ immer allgemeiner’ (Klewin 2006, S. 45). Unter Fallwissen versteht er ein ‘Wissen über ein bestimmtes Tun und Lassen im hier und jetzt’. Dieses Wissen ist also völlig losgelöst von Regeln und Wissen über ähnliche Situationen. Unter Herstellungswissen fasst Laucken fallübergreifende Aussagen, wie ‘Wenn du in einer so und so gearteten Lage das tust und lässt, dann erzeugst oder bewahrst du dadurch jene so oder so geartete Lage’ (Laucken 1982, S. 95). Im Hinblick auf die Tutorentätigkeit könnte das sein, ‚Wenn ein Student immer mit seinem Nachbarn redet, wenn ich etwas für alle erkläre, dann muss ich ihn um Ruhe bitten, damit er aufhört.’ Laut Lehmann-Grube beinhaltet dieses Wissen situationsabhängige, aber fallübergreifende Entscheidungskriterien und Handlungsalternativen (vgl. Lehmann-Grube 2000, S. 63). Dieses Herstellungswissen hilft Lehrenden in ihrer Tätigkeit eine Gewisse Routine zu bekommen, es ist auf das ‚Machen’ bzw. Handeln bezogen (vgl. Laucken 1982, S. 95). Zur Erfassung von Herstellungswissen könnte der Tutor beispielsweise gefragt werden, was er macht, wenn ein Student zu spät kommt. Hier fließen die Annahmen des Tutors zu den Folgen seines Handelns mit hinein. Regelwissen hat laut Laucken schon eine erklärende Funktion und bietet Erklärungen erster Ordnung. Zu diesem gelangt man laut Laucken häufig, wenn man nach dem Grund für das Herstellungswissen fragt, z.B. sagt der Tutor ‚Wenn die Studenten nicht motiviert sind, sage ich, dass es sehr wichtig für die Klausur ist.’ (Herstellungswissen). Wenn der Tutor gefragt wird, wieso dies gilt, dann sagt er z.B. ‚Studenten arbeiten nur richtig mit, wenn Sie unter Druck stehen’. Auch könnte der Tutor gefragt werden, wieso er eine bestimmte Handlungsalternative einer anderen bevorzugt. Hier geht es also nicht direkt um die vom Tutor erwarteten Folgen in der Situation, sondern um die Annahmen, die der Tutor über Lernen usw. hat. Funktionswissen bezeichnet demgegenüber ‘auf einer abstrakteren Ebene allgemeine Funktionsweisen und Gesetze in eher kontextfreien Aussagen’ (Lehmann-Grube 200, S. 63), wie z.B. die Aussage ‚Studenten lesen sich die Korrekturen der Hausübungen nie durch.‘ Das Grundwissen ist die abstrakteste Form und intuitiv (vgl. Klewin 2006, S. 45). Es ist anzunehmen, dass Reflexion und ein Aufstellen der Vor- und Nachteile von Verhaltensweisen in bestimmten Feedbacksituationen ähnlich wie subjektive Theorien selbst so vorgenommen werden, dass sie zu den eigenen subjektiven Theorien passen, um letztere funktionstüchtig zu halten (i.S. einer Assimilation) (vgl. Szczyrba 2009, S. 165). Die kognitiven, motivationalen und volitionalen Bedingungen und Ergebnisse von Reflexionsprozessen hängen also mit dem Konstrukt der subjektiven Theorien über einen bestimmten Bereich zusammen. Zugleich können Reflexionsfähigkeit und -bereitschaft etwas darüber aussagen, inwiefern der Handelnde bereit ist, seine subjektiven Theorien zu verändern (i.S. einer Akkomodation), sofern sie nicht stimmig sind. Subjektive Theorien sind die Erklärungs- und Wissenssysteme, in denen reflektiert wird und nach denen reflektiert wird (im Sinne einer Ziel-Orientierungsdimension). Findet ein Reflektieren auf höherer Ebene statt, so könnte z.B. gesagt werden, dass nicht unbedingt ‚bessere‘, logischere und stimmigere usw. Erklärungs- und Wissenssysteme zur Erklärung verwendet, sie aber aus der Metaperspektive betrachtet und kritisch beleuchtet werden und in Frage gestellt werden.


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epub2 - Letzte Änderung: 19.02.2024