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Ausgebrannt? : eine Suche nach 'Erschöpfungs-Pattern' ; psychobiologische Betrachtung von Erschöpfungszuständen und Burnout

Waeldin, Sandra

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SWD-Schlagwörter: Psychobiologie , Erschöpfung
DDC-Sachgruppe: Psychologie
Dokumentart: Monographie
ISBN: 978-3-8428-2082-1
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2011
Publikationsdatum: 17.04.2015
Kurzfassung auf Deutsch: Einleitung: ‘Von 2001 bis 2005 stieg der Anteil der durch psychische Störung bedingten AU-Tage (Arbeitsunfähigkeitstage) von 6,6 auf 10,5 % an. Bei unter 50-Jährigen stehen depressive Störungen als Frühberentungsgrund mittlerweile an zweiter Stelle. Immer mehr Menschen erleben sich in der Arbeit als ‘an der Belastungsgrenze’, wobei die gleichzeitig sinkenden AU-Tage kaum anders als durch hohen systemischen Druck erklärbar sind. Halten wir diesem Druck nicht stand respektive erleben wir die erhaltenen Gratifikationen relativ zum persönlichen Einsatz als zu gering (…), ist ‘Burnout’ ein Stress-Symptome und erlebte Beeinträchtigungen plausibel erklärendes und zudem das individuelle Selbstwertgefühl stabilisierendes Krankheitsmodell. (…) Schon deshalb verdient Burnout in hohem Maße wissenschaftliche, therapeutische und politische Aufmerksamkeit’. Bei der Suche nach Literatur zu dem Begriff Burnout lassen sich in Datenbanken wie Pubmed und PsycINFO etwa 6000 bis 6500 Artikel und bei Google Scholar circa 315.000 Verweise finden. Vergleicht man diese mit der Anzahl an Ergebnissen, die man für den Suchbegriff Depression erhält wird deutlich, dass dieses Phänomen wissenschaftlich noch ein vergleichbar dünnes Fundament hat (PubMed zeigt etwa 248.000 und PsycINFO etwa 168.000 Ergebnisse an bei der Suche nach dem Begriff Depression). Erklären lässt sich das vermutlich aufgrund der definitorischen Unschärfe von Burnout. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Depressionsforschung bereits Anfang des 19. Jahrhunderts begann (Pinel, 1801). Somit entstand die Depressionsforschung etwa 170 Jahre früher, als die seit etwa 35 Jahren bestehende Burnoutforschung. Betrachtet man jedoch das allgemeine Interesse in der Bevölkerung und den Medien, so wird ein anderes Verhältnis deutlich. Bei der Suche nach dem Begriff depression auf google.com erhält man etwa 63.000.000 Ergebnisse. Wird der Begriff burnout beziehungsweise exhaustion dort eingegeben erscheinen circa 10.600.000 beziehungsweise (bzw.) 34.000.000 Einträge. Diese Resonanz kann in dem Bezug auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen begründet liegen. So ist Stress – insbesondere am Arbeitsplatz – häufig aus persönlicher Erfahrung präsent. Gleiches gilt für damit oftmals einhergehende Gefühle von Lustlosigkeit, Mattheit oder Abgeschlagenheit. Relevant ist das Thema jedoch vielmehr noch aufgrund von langfristigen und auch kostenintensiven Folgen, die mit Burnout und Erschöpfung einher gehen. Konsequenzen von Arbeitsunfähigkeit spiegeln sich nicht nur in medizinischen Kosten wieder, sondern in einer ganzen Reihe an persönlichen Einschränkungen sowie volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Schäden. Von daher ist eine Auseinandersetzung mit Burnout sowie den Prädiktoren und Konsequenzen dringend. Ebenso wichtig ist es jedoch, die Schwächen dieses Konzepts zu betrachten. Neben speziellen konzeptuellen Problemen steht Burnout daneben auch grundlegenden Problemen psychischer Störungen gegenüber. An der Universität Trier wurde indes ein Verfahren entwickelt, welches durch eine individualspezifische Betrachtung multidimensionaler Komponenten einige dieser Probleme umgeht. Neuropattern™ erfasst stresssensitive Veränderung anhand von Schnittstellen zwischen biologischen, psychologischen und physiologischen Parametern. Anschließend werden für die jeweiligen Veränderungsmuster (Neuropattern) spezifische psycho- und pharmakotherapeutische Maßnahmen abgeleitet. Da Burnout zu stressbezogenen Gesundheitssyndromen zählt, wird anhand einer klinischen Stichprobe überprüft, wie verschiedene Neuropattern™ mit Burnout, bzw. Erschöpfungszuständen zusammenhängen. Zusätzlich wird in dieser Arbeit eine möglichst umfassende Beschreibung von erschöpften Personen anhand psychologischer, biologischer und somatischer Merkmale gegeben. Die Stichprobe wurde im Rahmen einer Studie mit 106 ambulanten und Patienten erhoben, die stationär in der Rehabilitationsklinik Seehof in Teltow behandelt wurden und an Neuropattern™ teilnahmen. Ziel dieser Studie ist es, durch ein randomisiert Design die Wirksamkeit von Neuropattern™ anhand von Belastungsmaßen zu evaluieren. Außerdem wurden Daten von 237 ambulanten Patienten ergänzt, die im Rahmen einer aktuell laufenden Studie bei Hausärzten in Rheinland-Pfalz dieselben Daten erhoben haben. Dabei soll einerseits die Häufigkeit der Neuropattern™ bei Hausarztpatienten festgestellt und andererseits die Praxistauglichkeit der Neuropattern™-Diagnostik geprüft werden. Wie bereits angedeutet, wird im Folgenden zunächst der theoretische Hintergrund von Burnout besprochen. Das umfasst eine Darstellung der Entwicklung des Begriffs ‘Burnout’ und der Häufigkeit seines Auftretens. Anhand von Symptomen, Ätiologie und der Möglichkeiten der Messung von Burnout wird das Konzept Burnout vertieft. Anschließend wird Neuropattern™, seine Bestandteile und Vorteile vorgestellt. Die sich daraus ergebende Fragestellung für diese Arbeit wird nach einer Darstellung der Studie im methodischen Teil aufgegriffen und empirisch überprüft. Nach der Darstellung der Ergebnisse werden diese diskutiert und Einschränkungen erörtert.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: ZUSAMMENFASSUNGII INHALTSVERZEICHNISIII ABBILDUNGSVERZEICHNISV TABELLENVERZEICHNISVI ABKÜRZUNGSVERZEICHNISVII 1.EINLEITUNG1 2.THEORETISCHE GRUNDLAGEN3 2.1BURNOUT3 2.1.1Begriffsentwicklung3 2.1.2Verlauf und Symptome6 2.1.3Definition und Diagnose9 2.1.4Differentialdiagnose12 2.1.5Häufigkeit und Relevanz14 2.1.6Ätiologie und Risikofaktoren18 2.2NEUROPATTERN™24 2.2.1Kovarianz- und Heterogenitätsproblem24 2.2.2Was ist Neuropattern™?25 2.2.3HHNA-Biomarker26 2.2.4Sympatho-adrenerge Biomarker31 2.3FRAGESTELLUNG34 2.3.1Hypothesen zur Messung von Erschöpfung34 2.3.2Hypothesen der Unterscheidbarkeit von erschöpften Subgruppen35 2.3.3Hypothesen über die Unterscheidbarkeit von Depression und Erschöpfung36 2.3.4Hypothesen über Symptome erschöpfter Personen36 2.3.5Hypothesen über biologische Marker von Erschöpfung37 3.METHODE38 3.1STUDIENABLAUF UND –DESIGN, -SETTING38 3.1.1Studiensetting und –Ziel38 3.1.2Ablauf38 3.1.3Stichprobenbeschreibung und Aus- und Einschlusskriterien40 3.1.4Zusätzliche Stichprobe41 3.2UNTERSUCHUNGSMETHODEN43 3.2.1Bestimmung von Cortisol im Speichel43 3.2.2Dexamethasonhemmtest44 3.2.3Herzratenvariabilitätsmessung45 3.2.4NPQ-A46 3.2.5NPQ-S46 3.2.6NPQ-P47 3.2.7PHQ-D47 3.2.8Weitere Datenerfassungen48 3.3STATISTISCHE METHODEN49 4.ERGEBNISSE51 4.1DESKRIPTIVE BESCHREIBUNG51 4.1.1Stichprobe51 4.2DATENANALYSE55 4.2.1Ergebnisse zu den Erschöpfungsmaßen55 4.2.2Ergebnisse zu erschöpften Subgruppen56 4.2.3Ergebnisse zur Unterscheidbarkeit von Depression und Erschöpfung60 4.2.4Ergebnisse über Merkmale und Symptome erschöpfter Personen61 4.2.5Ergebnisse zu biologischen Merkmalen erschöpfter Personen69 5.DISKUSSION73 6.LITERATURVERZEICHNIS83 7.ANHANG96 7.1COPENHAGEN BURNOUT INVENTORY96 7.2KORRELATIONEN DER NPQ-S ERSCHÖPFUNGSITEMS UNTEREINANDER97 7.3KORRELATION ZWISCHEN ERSCHÖPFUNG UND NPQ-P-SYMPTOMEN98 7.4KORRELATION ZWISCHEN ERSCHÖPFUNG UND ERKRANKUNGEN100 7.5DENDOGRAMM DER CLUSTERANALYSE102 7.6VERTEILUNG DEPRESSIONSAUSMAß103 7.7REGRESSION ZWISCHEN ERSCHÖPFUNG UND DEPRESSION103Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.2, NEUROPATTERN™: Die vorangegangene Beschreibung von Burnout verdeutlicht einerseits die Aktualität andererseits aber auch die Problematik und die Unschärfe dieses Konzepts. Insofern stellt sich die Frage nach alternativen diagnostischen Vorgehensweisen. Neuropattern™ ist ein psychobiologisches Verfahren welches aufgrund einer individuellen sehr differenzierten und multidimensionalen Diagnostik über gängige psychometrische Testverfahren hinausgeht. Das Diagnostiksystem erfasst neben vielfältigen psychometrischen auch physiologische Kriterien stressbedingter Reaktionen und untersucht diese auf dauerhafte Veränderungen. Ziel der Arbeitsgruppe um Hellhammer ist es, eine evidenzbasierte, individualisierte und translationale Stressdiagnostik zu entwickeln. Dabei sollen die Messmethoden und die Logistik finanzierbar und in die Praxis implementierbar sein. Es wird eine Ergänzung gängiger Methoden angestrebt. Dabei berücksichtigt Neuropattern™ grundlegende Probleme der Diagnose und Behandlung psychosomatischer Erkrankungen. 2.2.1, Kovarianz- und Heterogenitätsproblem: Burnout ist, wie viele stressbedingte Erkrankungen, mit einer Reihe von unterschiedlichsten psychischen und somatischen Beschwerden assoziiert. Allerdings imponieren diese eher durch ihre Heterogenität, als dass sich zutreffende Vorhersagen über ein auftretendes Symptombild machen ließen. Ebenso hängt das subjektive Erleben eines ausgebrannten Zustands nur wenig mit der objektiven Leistungsfähigkeit oder endokrinologischen Parametern zusammen. Will man stressbedingte Erkrankungen diagnostizieren kommt man nicht umhin, in einer Bedingungsanalyse Stress zu operationalisieren, zu messen, und die Auswirkungen zu dokumentieren. Spätestens bei einem Vergleich psychischer und peripher-physiologischer Stressreaktionen wird jedoch ein geringer Zusammenhang zwischen diesen Komponenten offensichtlich. Der Grund für dieses Kovarianzproblem ist, dass physiologische und psychische Reaktionen auf Stressreize in unterschiedlichen Teilen des Gehirns verarbeitet werden. Autonom-adaptive Prozesse laufen ohne bewusste Steuerung ab und sind unabhängig von der evaluativen, kognitiven Bewertung des Stressors. In der Praxis bedeutet das, dass die subjektiv empfundene Stressbelastung ein wenig verlässlicher Indikator für eine körperliche Stressreaktion ist. Umgekehrt können bereits klinisch relevante, stressgebundene Veränderungen kaum psychologische Korrelate haben. Daneben stellt sich als weiteres bedeutsames Problem die Komplexität und Heterogenität krankheitsrelevanter Mechanismen dar. So kann man durch ein alleiniges Feststellen des Vorliegens und der Ausprägung bestimmter Risikofaktoren weder Pathogenese noch Krankheitsverlauf prognostizieren. Die Interaktion zwischen individuellen psychischen, somatischen, genetischen und sozialen Krankheitsdeterminanten ist komplex und so ist meist sogar bei recht einheitlichen Krankheitsbildern die Äthiopathogenese heterogen. Quantitative Forschungsergebnisse wie auch gängige und verhältnismäßig stark verallgemeinernde Diagnosekriterien werden solchen individuell stark unterschiedlichen Konstellationen der Kausalfaktoren kaum gerecht. Ziel sollte es stattdessen sein, Diagnostik einzelfallorientiert zu stellen und dabei physiologische wie psychologische Messungen zu integrieren. Mit Neuropattern™ wird der Versuch unternommen, stressrelevante Krankheitsmechanismen mittels verschiedener Marker einzelfallorientiert festzustellen. 2.2.2, Was ist Neuropattern™? Oder: Wieso es sich lohnt von dem Konzept der klassischen Diagnosen hin zu einer personalisierten Medizin abzurücken. Um die im vorigen Abschnitt erwähnten Ziele zu erfüllen und die beschriebenen Probleme zu umgehen, erfasst das Neuropattern™-Verfahren mittels multidimensionaler Kriterien, ob krankheitsrelevante Veränderungen aufgrund von Stress vorliegen. Unter Ausblendung der Art und des Grundes für Stress wird überprüft, ob es ein gemeinsames Auftreten von psychischen und biologischen stresssensitiven Veränderungen gibt. Diese lassen sich durch die Reagibilität und Aktivität von Schnittstellen zwischen zentralen und peripheren Systemen erklären. Es lassen sich verschiedene Aktivierungszustände sowie Schnittstellen unterscheiden. Für die Neuropattern™-Diagnostik relevante neurobiologische Systeme sind hierbei die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA), die sympathischen und vagalen Anteile des autonomen Nervensystems sowie zentrale noradrenerge und serotonerge Bahnen. Diese können sich grundlegend in einem Zustand der Über-, bzw. Unteraktivierung oder -Reaktivität befinden. Jedem dieser spezifischen Muster (Neuropattern) sind bestimmte psychische, biologische und symptomatische Veränderungen zugeordnet und über distinkte Kriterien operationalisiert. Das psychobiologische Diagnostikverfahren Neuropattern™ wurde an der Universität Trier unter der Leitung von Professor Dr. phil. Dirk Hellhammer zunächst auf Basis von tier- und humanexperimentellen sowie klinischen Befunden konzeptualisiert. Schließlich wurden diese Endophänotypen schrittweise anhand verschiedenster Stichproben mit gesunden Probanden sowie ambulanten und stationären Patienten mit unterschiedlichen somatischen, psychosomatischen und psychischen Erkrankungen überprüft. Aktuell wird eine überarbeitete Version mit hinreichend häufig gefundenen Neuropattern™ eingesetzt. Im Gegensatz zu gängigen Verfahren stützt sich Neuropattern™ neben psychologischen auch auf biologische und symptomatische Parameter. Insbesondere zählen hierzu periphere wie auch zentral wirksame neurochemische Systeme. Statt der gängigen übergreifenden und reduktionistischen diagnostischen Kriterien werden differenzierte Endophänotypen betrachtet. Gesundheitsrelevante somatische und psychische Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit Stress werden hierbei insbesondere auf andauernde Adaptionsleistungen des Organismus auf Stressoren zurückgeführt. Die physiologische Stressreaktion lässt sich dabei über endokrine wie autonome Veränderungen messen, welche über die HHNA oder das sympatho-adrenerge System vermittelt werden. Diese Systeme stehen in Interaktion mit einem dritten System, welches durch Ressourcenregenerierung die langfristige Reaktivität des Organismus sicherstellt: das parasympathische Nervensystem und die dazugehörigen zentralen serotonergen Bahnen. Ist eines oder mehrere dieser Systeme dauerhaft und übermäßig aktiv, reaktiv oder inaktiv können entsprechende symptomatische Veränderungen festgestellt werden. Zusätzlich werden prä- und postnatalen Belastungsmerkmale betrachtet, die eine solche Veränderung frühzeitig begünstigt haben können. Erfüllt eine Kombination dieser Messwerte die festgelegten Kriterien, wird von dem Vorhandensein eines stresssensitiven Veränderungsmusters ausgegangen und die Person dem entsprechenden Neuropattern™ zugeordnet. In darauffolgenden Schritten sollen Betroffene verhaltenstherapeutische und pharmakologische Ratschläge erhalten können, wie sie ihr Aktivitätsmuster günstig beeinflussen können. Therapeutische Maßnahmen sind jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Neuropattern™ erscheint als fruchtbares Konzept. Einerseits, da es ein wenig stigmatisierendes und biologisch fundiertes Krankheitsmodell vermittelt. Die multidimensionale Untersuchung von Patienten ist dabei der erste Schritt zu einer genauen und für die jeweiligen Patienten passenden Diagnostik. Andererseits können so therapeutische Elemente individualspezifisch und dennoch entsprechend definierter Kriterien eingesetzt werden. Die Informationsreduktion durch eine Zuordnung zu übergeordneten Krankheiten bzw. Krankheitskonstrukten wird so minimiert.


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epub2 - Letzte Änderung: 19.02.2024