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Körpersprache und verbale Kommunikation : Verständnis und Auswirkung in der Interaktion

Neick, Larissa

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Zugriffsbeschränkung: nur innerhalb des Universitäts-Campus
BK - Klassifikation: 05.12
DDC-Sachgruppe: Psychologie
Dokumentart: Monographie
ISBN: 978-3-8428-1937-5
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2011
Publikationsdatum: 23.03.2015
Kurzfassung auf Deutsch: Einleitung: Soziale Arbeit in ihrer Profession hat in der Regel mit Menschen zu tun. Menschen in verschiedensten Lebenslagen. Menschen unterschiedlichsten Alters und Herkunft. Zumeist sind diese Menschen auf fachliche Unterstützung des Sozialarbeiters angewiesen. Um für Adressaten und Adressatinnen angemessene Hilfen auszuwählen und sich dabei bestmöglich an den individuell vorhandenen Ressourcen zu orientieren braucht der Sozialarbeiter ein hohes Spektrum an Wissen. Und genau an dem Punkt möchte die nachfolgende Arbeit anknüpfen. Jeder zwischenmenschliche Kontakt läuft innerhalb einer Interaktion ab. Menschen kommunizieren miteinander auf die unterschiedlichste Weise. Ein Großteil dessen findet jedoch unbewusst über körperliche Signale statt. Wenn also die Soziale Arbeit durch ihr Alltagshandeln mit vielen Menschen in Berührung kommt, warum wird dann genau diesem Punkt nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt? ‘Das Bewusstsein des anderen beginnt in unserem eigenen Bewusstsein’. Aus diesen Gründen entstand die Motivation zur Bearbeitung des vorliegenden Themenkomplex. Die Autorin möchte mit dem ausgewählten Sachverhalt es dem Leser ermöglichen, sein Verständnis und sein Bewusstsein über körpersprachliche Signale in der Interaktion zu schärfen. Durch das Wissen um deren Auswirkungen im direkten Kontakt mit dem Menschen kann das Gegenüber anders wahrgenommen werden. Und so nach Ansicht der Autorin auch besser verstanden werden. Die Körpersprache ist in allen zwischenmenschlichen Bereichen vorhanden, weswegen ihr mehr Beachtung geschenkt werden sollte. In den vergangenen Jahrzehnten gab es eine Reihe an Forschungsprojekten, die sich allerdings hauptsächlich an den Bereichen der Wirtschaft, des Erreichens von Toppositionen oder an dem Erfolg im Beruf orientierten. Auch Soziologen, Sozialpsychologen oder Sprachwissenschaftler fanden Interesse an dem Thema und beleuchteten es von verschiedenen Seiten. Heute findet sich allerdings kaum noch Literatur in der sozial kommunikativen Forschung. Vorgezogen wurde die Erforschung von verbaler Kommunikation, Kommunikationsmodellen und Sprachbildern. Die Körpersprache kann jedoch auch nicht losgelöst von der verbalen Kommunikation betrachtet werden, wenn von einem Interaktionsprozess ausgegangen wird. Und da die Soziale Arbeit mit Klienten und Klientinnen immer in einem solchen Kontext stattfindet, wird in nachfolgender Arbeit die Kommunikation unter beiden Gesichtspunkten betrachtet. Doch nicht nur das. Um einen Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu verstehen gilt es in erster Linie auch sich selbst zu verstehen. Denn die Interaktion ist immer eine wechselseitige Beeinflussung der Menschen untereinander. Nur durch das sich Bewusst werden über gewisse psychische Vorgänge kann ein Verständnis für die Interaktion und den darin ablaufenden Kommunikationsprozessen gewährleistet werden. Aufgrund dessen ist der Themenkomplex in verschiedene Kapitel unterteilt. Diese sollen es dem Leser vereinfachen, einen Zugang zu dieser auf zwei Ebenen aufgebauten Arbeit zu erlangen. Im ersten Kapitel geht es um die Förderung eines selbstreflexiven Verständnisses durch die Darstellung verschiedener intrapersonal ablaufender Prozesse. Dies soll dem Leser ermöglichen Auswirkungen auf die Interaktion zu erkennen und sein Bewusstsein für diese zu schärfen. Hierfür ist es notwendig zu wissen, wie die Denkprozesse des Menschen aufgebaut sind und sich diese im Lauf des Lebens erweitern. Deswegen erfolgt einführend ein Exkurs über die Funktionsfähigkeit des Gehirns um anschließend auf die kognitive Denkentwicklung und den Ausbau von Denkschema eingehen zu können. Eng hiermit verbunden sind die sinnlichen Erfahrungen über welche es dem Menschen möglich ist, sich seine Umwelt anzueignen. Dies erfolgt über die subjektive Wahrnehmung. Da die Wahrnehmung des Gegenübers in jeder Interaktion eine entscheidende Rolle spielt, wird der Ausschnitt näher betrachtet. Es geht nicht nur um die Verbindung zwischen sinnlichen Erfahrungen durch die Wahrnehmung, sondern auch darum, welchen gegebenenfalls trügerischen Faktoren die eigene Wahrnehmung unterliegen kann. Und da in der face-to-face Interaktion Informationen hauptsächlich über das Gespräch erfolgen und Eindrücke dadurch entstehen, wie man sein Gegenüber wahrnimmt, wird auch auf die Verbindung des visuellen und auditiven Systems mit der Wahrnehmung eingegangen werden. Denn Voraussetzung für jegliche Kommunikationsprozesse ist in erster Linie das sinnliche wahrnehmen des Interaktionspartners. Dass der Mensch andere Menschen jedoch nie losgelöst von seinen bisher gemachten Erfahrungen erleben kann, wird ebenso deutlich gemacht. Oftmals, gerade in der Sozialen Arbeit im Kontakt mit einer bestimmten Adressatengruppe, wird man mit Hypothesen von außen konfrontiert. Oder aber die Adressaten selbst kommen bereits mit einer vorgefertigten Meinung zum Sozialarbeiter. Und nicht zuletzt hat der Sozialarbeiter an sich eine bestimmte Erwartungshaltung an seine Klienten. Wodurch solche Mechanismen entstehen und was benötigt wird, um diesen entgegen zu wirken und wie stark die Bildung solcher auch von der eigenen Wahrnehmung abhängt, wird am Ende des ersten Kapitels in der Hypothesentheorie erläutert. Abschließend hat die Autorin ein Fazit verfasst um für den Leser die komplexen Komponenten noch einmal in Verbindung zueinander zu bringen und aufeinander zu beziehen. Hierdurch soll die Bedeutung dieser Wissensbestände für den Interaktionsprozess kenntlich gemacht werden. Im zweiten Kapitel werden unter verschiedenen Gesichtspunkten kommunikative Abläufe in der Interaktion betrachtet. Einführend erfolgt die Darstellung der Hintergründe und der Ursprünge der menschlichen Kommunikation unter Einbezug rein körperlicher und rein verbaler Ausdrucksformen. Doch auf was beruft sich eigentlich der Kommunikationsprozess? Können alle Menschen sich verständigen oder benötigen wir ein gemeinsames Hintergrundwissen um überhaupt miteinander in Kommunikation treten zu können? Diesen Fragestellungen wird im Anschluss in Verbindung mit der Interaktion nachgegangen werden. Eine Begriffsbestimmung und nähere Unterteilung in die verschiedenen Aspekte der Kommunikation erfolgen bei der Betrachtung des Forschungsstandes über Körpersprache und nonverbale Kommunikation. In diesem Abschnitt wird ebenfalls geklärt, seit wann die Menschen sich mit körperlichen Ausdrucksformen beschäftigen. Und da zwei Drittel jeglicher Kommunikationsabläufe über die Körpersprache statt finden, auch wenn viele dieser Signale nur unbewusst wahrgenommen werden, ist dieser Unterpunkt in der Interaktion von großer Bedeutung. Deswegen werden die bewussten und unbewussten Teilelemente sowie die ganzheitliche Wahrnehmung der Körpersprache näher dargestellt. In der Sozialen Arbeit geht es nicht zuletzt darum, den Anliegen des Klienten gerecht zu werden und seine Bedürfnisse zu erkennen. Ein Sozialarbeiter kann dieses Verständnis für den Adressaten fördern, indem er nicht nur auf das Gespräch sondern auch auf die Körpersprache achtet. Aufgrund dessen werden verschiedene körperliche Ausdrucksformen, wie die Beruhigungsgesten und die Augenstellung näher untersucht. Dies sind zwei wichtige Elemente, die während der Kommunikation erkannt werden können und dem Sozialarbeiter gegebenenfalls Aufschluss darüber geben wie sich der Klient in der Interaktion fühlt. Da im ersten Kapitel auf die Wahrnehmung eingegangen wird, soll nun eine Verbindung zur Körpersprache hergestellt werden. Dies zeigt sich im Unterpunkt des En- und Dekodierens. Nicht immer fällt es leicht, ankommende Signale auch so zu interpretieren wie sie vom Gegenüber gemeint waren. Vor allem, wenn die Körpersprache durch kulturelle Gegebenheiten unterschiedlich geprägt wurde. Emotionen werden nicht in allen Kulturen auf gleiche Weise geäußert. Da es jedoch genau das ist, worüber der Sozialarbeiter einen Zugang zu seinen Klienten findet, wird zum einen auf verschiedene Ausdrucksweisen von körpersprachlichen Signalen und zum anderen auf die Entstehung dieser Unterschiede eingegangen. Um aufgrund dessen Missverständnisse, welche sich unter Umständen auf die Interaktion auswirken können, zu vermeiden, stellt die Autorin für eine differenziertere Wahrnehmung des Lesers noch die Gründe dar, warum es zu einer Fehldekodierung dieser Signale kommen kann. In der Interaktion kann mit dem Wissen über diese Hintergründe auf Menschen mit Migrationshintergrund über ein differenzierteres Verständnis auf eine andere Weise eingegangen werden. Gegebenenfalls kann hierdurch der Zugang erleichtert werden. Des weiteren wird ein Modell dargestellt, welches die Komponenten der Körpersprache und der nonverbalen Kommunikation in der Interaktion miteinander verbindet. Doch läuft der zwischenmenschliche Kontakt zumeist nicht ohne das Gespräch ab, weswegen abschließend das Zusammenspiel von Körpersprache und verbaler Kommunikation betrachtet werden soll. Zielsetzung ist es, durch die Kombination beider Kapitel eine aufschlussreiche Vermittlung von immer ablaufenden unbewussten Elementen in jedem Interaktionsprozess zu erlangen. Im dritten Punkt der vorliegenden Arbeit möchte die Autorin auf die Bedeutung der Körpersprache in der Sozialen Arbeit eingehen und eruieren, inwieweit diese in das Alltagshandeln des Sozialarbeiters eingebunden ist. Es soll auch betrachtet werden, ob die Auswirkungen in der Kombination zwischen verbaler Kommunikation und körpersprachlichen Ausdruckserscheinungen in der Sozialen Arbeit bedacht wird. Denn wie eingangs erläutert, laufen zwei Drittel des Kommunikationsprozesses nonverbal ab. Da die Profession der Sozialen Arbeit aus der Hilfe für andere Menschen entstanden ist und aus diesem Kontext heraus der Kontakt mit Menschen offensichtlich ist, müssten demnach die körperlichen Ausdrucksformen des Klienten ein wesentlicher Bestandteil des Fachwissens sein. In der Schlussbemerkung findet der Leser ein Fazit der gewonnenen Wissenssequenzen. In vorliegender Arbeit werden nach Ansicht der Autorin einige der wichtigsten Themengebiete im Umgang mit anderen Menschen aufgegriffen. Diese können jedoch aufgrund des Umfangs nicht in ihrer ganzen Bandbreite dargestellt werden, sondern sollen dem Leser einen Einblick in die verschiedenen Teilbereiche der Kommunikation während der Interaktion ermöglichen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Einleitung1 1.Förderung des (selbst) reflexiven Verständnisses und möglichen Auswirkungen in der Interaktion5 1.0Wie denkt der Mensch?5 1.1Die kognitive Denkentwicklung nach Jean Piaget7 1.2Sinnliche Erfahrungen11 1.3Die Wahrnehmung13 1.3.1Gesetze der Wahrnehmung16 1.3.2Sinne und Wahrnehmung19 1.3.3Das visuelle und auditive System und die Bedeutung der visuellen und auditiven Wahrnehmung/Perzeption21 1.3.4Erfahrungen, Erwartungen und Emotionen im Zusammenspiel mit der eigenen Wahrnehmung25 1.4Fazit des 1. Kapitels im Hinblick auf die Auswirkungen in der Interaktion28 2.Kommunikations-, und Interaktionsprozesse unter Betrachtung verschiedener Gesichtspunkte30 2.0Verständnis und Hintergrund der Kommunikation nach Tomasello30 2.0.1Der Ausdruck des Körpers als Kommunikationsprozess31 2.0.2Die verbale Kommunikation33 2.0.3Die Bedeutung des gemeinsamen Hintergrundwissens für die Interaktion34 2.1Forschungsstand über Körpersprache/nonverbale Kommunikation35 2.2Die Körpersprache41 2.2.1Körpersignale als bewusste und unbewusste Teilelemente einer Kommunikation42 2.2.2Die ganzheitliche Wahrnehmung in der Körpersprache44 2.2.3Untersuchung verschiedener körperlicher Ausdrucksformen45 2.2.4Das Enkodieren und Dekodieren in der Körpersprache50 2.3Kulturelle Unterschiede in der Ausdrucksweise körperlicher Empfindungen52 2.4Körpersprache, nonverbale Kommunikation und Interaktion57 2.5Das Zusammenspiel zwischen Körpersprache und verbaler Kommunikation59 3.0Die Bedeutung des Wissens über die Körpersprache in der Sozialen Arbeit60 4.0Schlussbemerkung62 Literaturverzeichnis65 Anlage 170 Anlage 271Textprobe:Textprobe: Kapitel 1.3.4, Erfahrungen, Erwartungen und Emotionen im Zusammenspiel mit der eigenen Wahrnehmung: Wie bereits zuvor beschrieben durchläuft der Prozess der Wahrnehmung verschiedene Stufen. Es ist dem Menschen jedoch beinahe nicht mehr möglich, reine Empfindungen zu erleben, denn diese sind an seine bisherigen Erfahrungen gekoppelt und können kaum von diesen losgelöst wahrgenommen werden. Das einzig Vorhersagbare ist, dass bestimmte physikalische Reize auch eine bestimmte Aktivierung der im Organismus liegenden Rezeptoren nach sich ziehen. Doch der anschließende Verarbeitungsprozess im Gehirn sowie die mit dem Reiz in Verbindung gebrachten, individuellen Erfahrungen, sind nicht mehr vorhersehbar. Die menschliche Wahrnehmung setzt sich aus Empfindungen und deren Bewertung aufgrund bisheriger Erfahrungen zusammen. Das führt zu der gezeigten Reaktion. Dieser Vorgang läuft im limbischen System, dem Steuerzentrum des Gehirns, ab, das für die Gefühlsregulation zuständig ist. Das Gedächtnis kann vereinfacht als Regal mit verschiedenen Ablagen umschrieben werden. Der Mensch erinnert sich und ‘greift’ sich dieses bereits gespeicherte Bild von der Ablage, also dem Gedächtnis, und verwertet das schon einmal in der Vergangenheit Erfahrene in der gegenwärtigen Situation. Diese bisherigen Erfahrungen ermöglichen dem Einzelnen erst sich im Leben zu bewähren. Die im Gedächtnis gespeicherten positiven wie negativen Erfahrungen bestimmen also mit, was der Mensch schlussendlich wahrnimmt. So ist für denjenigen, der mit frisch gemähtem Gras schöne Kindheitserinnerungen verbindet, der Duft etwas Angenehmes. Der Allergiker denkt jedoch sogleich an die Pollen in der Luft und daran, dass er vorsichtig sein sollte. Auch das emotionale Befinden der Person in einer bestimmten Situation beeinflusst die Wahrnehmung. So beeinflussen die Emotionen den Wahrnehmungsprozess schon zu Beginn, bevor der Verarbeitungsmechanismus im Gehirn stattgefunden hat. Auf der anderen Seite werden nach der Verarbeitung und der Interpretation von etwas Wahrgenommenem auch gewisse Emotionen diesbezüglich ausgelöst. Diese Erfahrungen werden im weiteren Verlauf der kognitiven Ausbildung zu Erkenntnissen, auf die der Mensch unbewusst zurückgreift. Je nach eigener Emotion wird die Sicht auf die Welt und die Interpretation der Handlungen einer anderen Person verändert. Der Mensch fragt sich nicht, warum eine bestimmte Emotion besteht, er versucht vielmehr, dieses Gefühl zu bestätigen. Die Situation wird so bewertet, dass sie mit dem bereits bestehenden Gefühl übereinstimmt. Hierdurch wird die ursprüngliche Emotion erhalten und gerechtfertigt. Dies führt anschließend zu dem Versuch zu verstehen, warum und wie es dazu kommt, dass der Mensch anhand eigener Emotionen Erwartungen aufbaut? Oder welche Prozesse im Organismus ablaufen müssen, damit diese Emotionen bestätigt werden. Dies wirft die Frage auf was der Mensch benötigt, um bereits bestehende Erwartungsmuster an andere Personen oder Situationen widerlegen zu können? Das soll nun mit Hilfe der Hypothesentheorie beantwortet werden. Die Hypothesentheorie: Betrachtet man nun, inwieweit Erwartungen bei dem Prozess der Wahrnehmung und Interpretation mit einfließen, so stößt man auf die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung von Bruner und Postman. Persönlichkeitsmerkmale, wie bei den individuellen Faktoren in Punkt 4 bereits beschrieben, lösen beim Menschen eine bestimmte Erwartungshaltung aus, die von den beiden Begründern Hypothesen oder auch Erwartungshypothesen genannt wurden. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Wahrnehmungsvorgang bereits mit einer oder sogar mehreren dieser Hypothesen beginnt, denn jeder Mensch hat eine bestimmte Annahme über (s)eine Realität. Der Wahrnehmende wählt diese Erwartungshypothesen zumeist unbewusst aus seinen bereits bestehenden kognitiven Schemata, sprich seinen Erfahrungen, aus. Das kann soweit führen, dass der Mensch nur die in der Wirklichkeit gegebenen Reize erkennt oder auswählt, die seinen eigenen Hypothesen entsprechen. Das hängt auch von der Stärke dieser Hypothesen ab. Je stärker diese Erwartungshypothese ist, desto weniger Außenreize braucht sie, um bestätigt zu werden. Im Umkehrschluss heißt das, je größer die Menge der Reize ist, die entgegen der eigenen Hypothese stehen, umso eher können diese wahrgenommen werden. Ist ein junger Mann zum Beispiel davon überzeugt, dass ihn Frauen nicht mögen, so wird er vermutlich nur diejenigen ‘sehen’, die ihm das Gefühl vermitteln, dass seine Hypothese stimmt. So werden diese Hypothesen oder auch Erwartungshaltungen auch wieder zu einer ausschlaggebenden Determinante für die Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen. Diese Theorie bietet auch eine plausible Erklärung dafür, wie es zur Entstehung von Gerüchten oder Vorurteilen, zum Beispiel gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund kommt. Hat Person A beispielsweise eine starke Hypothesenbildung polnischen Haushaltshilfen gegenüber, dass ‘die alle ja nicht sauber arbeiten und nur auf das schnelle Geld aus sind ‘, so werden minimale Anhaltspunkte ausreichen, um dieses Bild zu vervollständigen. Wenn diese Phantasien dann noch von weiteren Personen bestärkt werden, so verstärkt sich der eigene Glaube an die Richtigkeit der Hypothese. Dieser Einfluss der Vergangenheit bestimmt demnach die Hypothesenstärke. Kommt gegebenenfalls noch hinzu, dass Person A keine Möglichkeit hat, Alternativhypothesen abzurufen, da sie diese vielleicht nie aufgebaut oder noch nicht kognitiv ausgeweitet hat, desto eher ist sie bereit, wieder die bereits bekannte Erwartungshaltung einzunehmen. Und sollte die Hypothese, dass alle polnischen Haushaltshilfen nicht ordentlich putzen, sehr stark sein, so wird es Person A umso schwerer fallen, diese Erwartungshypothese an andere bereits bestehende Hypothesen anzuknüpfen oder sie gar zu verbinden. Wie zum Beispiel die Einstellung einer neuen polnischen Haushaltshilfe. Dieser wird Person A vermutlich mit gleicher Hypothese gegenübertreten, da diese so zentral und stark ist, dass nicht mehr wahrgenommen werden kann, dass es sich hier um eine neue, völlig andere Person handelt. Dieses Phänomen wird als neuronaler Darwinismus bezeichnet. Im Gehirn laufen Prozesse ab, die für den Erhalt der Hypothesen, die sich als die stärksten herausgebildet und sich in der Erfahrung verankert haben, sorgen. Denn je häufiger die Synapsen, die der Erinnerung einer Hypothese dienen, aktiviert werden, desto stärker ist schlussendlich die Verbindung zwischen den hierbei beteiligten Neuronen im Gehirn. Synapsen, die im Gegensatz dazu seltener aktiviert werden, verschwinden nach einer Weile mit hoher Wahrscheinlichkeit, da die Faser der Nervenzelle sich zurückzieht und somit der dendritische Stachel, welcher beide miteinander verbindet und den Austausch erst ermöglicht, abstirbt. Dieser neuronale Vorgang wird in der Medizin auch als Plastizität beschrieben. Damit ist, wie auch in der Hypothesentheorie ,gemeint, dass Erfahrungen das Gehirn beeinflussen. Individuelle Faktoren und soziale Einflüsse lösen Hypothesen aus, die bestimmen, was überhaupt wahrgenommen und vor allem wie das Wahrgenommene interpretiert wird. Die Hypothesenstärke ist ausschlaggebend dafür, welche Hypothesen zentral sind und zur Verarbeitung des Wahrgenommenen herangezogen werden und wie viele Informationen benötigt werden, um diese zu bestätigen oder widerlegen.


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epub2 - Letzte Änderung: 19.02.2024