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Unikate in Zeiten der Massenproduktion

Bert, Steff

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Zugriffsbeschränkung: nur innerhalb des Universitäts-Campus
DDC-Sachgruppe: Künste, Bildende Kunst allgemein
Dokumentart: Monographie
ISBN: 978-3-8428-1551-3
Sprache: Deutsch
Erstellungsjahr: 2011
Publikationsdatum: 16.03.2015
Kurzfassung auf Deutsch: :Einleitung: Unikate stehen hoch im Kurs; in zahlreichen Produktkategorien und in beinahe jedem Preissegment werden dem Verbraucher mittlerweile Einzelstücke angeboten. Der Stempel der Einzigartigkeit, mit dem Waren zunehmend beworben werden, ist mit Sicherheit nicht immer angebracht und lässt sich häufig als bloßes Marketingversprechen entlarven, das den Absatz neuer Güter steigern soll. Doch ist auch diese Tatsache als Indiz zu sehen, für einen neuen Trend, der sowohl das Angebot, als auch die Nachfrage erfasst hat. In Zeiten in denen Massenware immer billiger, schneller und skrupelloser in den gerade ärmsten und preisgünstigsten Regionen der Erde produziert werden und die globalen Märkte überschwemmen, ist jedoch auch der Aspekt der Originalität von Bedeutung. Es geht heute auch darum, ‘Design zu entwerfen, das gar nicht auf Massenproduktion und Massengeschmack ausgerichtet ist. Sondern so kompliziert und besonders ist, dass es nur in kleinen Stückzahlen produziert werden kann und soll. Und deshalb uninteressant ist für Kopisten jeder Art’. Die Kopierbarkeit von Massenprodukten stellt ein großes Problem für Produzenten dar, aber auch viele Konsumenten wollen nicht länger ‘kopierbar’ sein und wenden sich ab vom eintönigen Serienprodukt für Jedermann. Sie wollen ihre Individualität und Persönlichkeit repräsentiert wissen und fühlen sich daher hingezogen zum Einzigartigen. Doch was ist ein Unikat? Und wie viel Unterschied zu einem weiteren Produkt benötigt es, um als solches zu gelten? Wo verlaufen die Grenzen oder wo liegen die Übergänge von Einzelanfertigung, Kleinserie und Massenproduktion? Eine gesetzliche Regelung gibt es hierfür nicht; die Bewertung der Begriffe bleibt eine subjektive, die dem Markt, beziehungsweise dem Kunden obliegt. Auch im Patentwesen, wo es im Falle von Plagiatstreitigkeiten ebenfalls um die Unterscheidung und Abgrenzung solitärer Entwürfe (Erfindungen) geht, gibt es kein juristisches Regelwerk. Es werden Expertengremien gebildet, die den Grad an Gleichheit und Unterschiedlichkeit bewerten; die letztendliche Beurteilung liegt bei einem Richter. Im allgemeinen Verständnis handelt es sich bei Unikaten um einzelne oder wenige einzelne Gegenstände, die, mit oder ohne Absicht, anderen Gegenständen nicht gleich und höchstens ähnlich sind. In der Regel werden sie in Opposition zu Massenprodukten angesehen, deren bewusste und produktionsbedingte Eigenschaft die Gleichheit ist. Daher sollen im ersten Teil dieser Arbeit die historischen Entwicklungen aufgezeigt werden, die den Stellenwert und die Bedeutung der beiden Pole Unikat und Massenproduktion prägten. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit Möglichkeiten und Methoden der Verschmelzung der Pole in massenproduzierten Einzelstücken.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Einleitung8 1.Unikat versus Massenprodukt10 1/1Historischer Abriss11 1/2Kritik am Massenprodukt20 2.Unikat als Massenprodukt24 2/1Einbezug des Kunden25 Baukastenprinzip26 DiY29 Posuming29 Mass Customization30 2/2Einbezug des Zufalls37 Zufall in der Kunst37 Zufall im Design38 Analoge Beispiele41 Generatives Design42 Digitale Beispiele45 Schluss48 Quellenverzeichnis51Textprobe:Textprobe: Kapitel 2, Unikat als Massenprodukt: Die Gleichartigkeit der Massenerzeugnisse aufzubrechen und durch Individualisierung auf die veränderten Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen, ist ein wichtiges Bestreben der Erzeuger geworden. Auch die Zunft der Designer hat es sich zum neuen Ziel gesetzt, ‘das Stigma der Typisierung zu überwinden: Wiederholung ohne Differenz. Was für die Moderne noch Programm war, nämlich dem Maschinenzeitalter gemäß in Standards zu denken und in Serien zu bauen’ ist in der Gegenwart kein funktionierendes Konzept mehr. Daher wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Methoden entwickelt, durch die Variationen und Einzigartigkeiten in serielle Produktionsprozesse eingebunden werden können. 2/1: Einbezug des Kunden: Eine dieser Methoden ist es, den Kunden selbst in den Gestaltungsprozess einzubinden, sodass er die Möglichkeit erhält, das Endprodukt nach seinen individuellen Vorstellungen zu modellieren. Hierdurch soll eine größere Bedürfnisbefriedigung erreicht werden und das Produkt eine stärkere Beziehung zum Menschen aufbauen können. ‘Es vermag dies wahrscheinlich am stärksten, wenn der Empfänger und Besitzer am Werden teilgenommen hat oder zumindest mit der Atmosphäre vertraut ist, in der es entstanden ist.’ Baukastensystem: Der Einbezug des Kunden kann beispielsweise über Baukastensysteme geschehen, deren Modularität es ermöglicht, dem Verlangen nach Typenvielfalt nachzukommen. Beim Baukastensystem handelt es sich um die Zerlegung des Ganzen in Teile, die mit Verfahren der Massenproduktion gefertigt und vielfältig kombinierbar sind. Der Kunde wählt aus einer großen Anzahl von Modulen diejenigen aus, die seine individuellen Anforderungen erfüllen und setzt diese zu einer Gruppe zusammen, die zusammengefügt das Produkt darstellt. Das modulare Aufbausystem M 125 von Hans Gugelot aus dem Jahr 1950 gilt als eines der revolutionärsten Systemmöbel und wurde von 1957 bis 1988 weitgehend unverändert produziert. Es besteht aus vorgefertigten Seiten, Böden, Rückwänden und Türen, die sich mit geringem Aufwand zu Sideboards, Regalen und Schränken zusammenbauen lassen. Das M steht für Maßstab, 125 für die Maßeinheit, die dem System zugrunde liegt und deren Vielfaches die Abmessungen der Möbelteile ergibt. Auch das Regalsystem von Montana Møbler ist ein erfolgreiches Beispiel, bei dem einfachste Kuben in verschiedenen Farben und Abmessungen beinnahe grenzenlos kombiniert werden können. Der Claim des Herstellers lautet bezeichnenderweise ‘montana is made by you’. In der Automobilindustrie ist das Baukastensystem besonders ausgeprägt; das Angebot von Fahrzeugleistungen, technischen Spezifikationen, Ausstattungsmerkmalen, Farben, Stoffen und Innendekorationen ist so beträchtlich, dass BMW für seine 5er-Reihe rechnerisch mehr mögliche Varianten anbietet, als überhaupt gebaut werden. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, zwei ganz und gar gleiche Autos vorzufinden, geht demnach gegen null. Bewertung Baukastensystem: Und doch fällt es schwer, ein fabrikneues Auto und andere Baukastenerzeugnisse als Unikate anzusehen, da ihre einzelnen Komponenten nach wie vor gleichförmig und in immensen Stückzahlen vorhanden sind. Die kreative Individualisierung erfolgt einzig durch die Auswahl und Anordnung. Die einzelnen Module eines Baukastensystems unterliegen einer starken Normierung und sind einzeln betrachtet vielmehr das Gegenteil von individuellen Einzelstücken. Entindividualisiert und befreit von Eigenheiten, müssen sie in einem einheitlichen System angeordnet werden können. Um eine angemessene Vielfalt der möglichen Kombinationen zu gewährleisten, ist es von Nöten eine Vielzahl von Komponenten jeweils in Massen zu produzieren. Die baulichen Ähnlichkeiten der Module eines Systems wirken sich einerseits günstig auf die Herstellungskosten aus, doch ergibt sich das Problem der Lagerhaltung, da alle Komponenten stets verfügbar sein müssen. Daher eignet sich das Baukastenprinzip insbesondere für Produktgruppen und Konzerne deren Absatzmarkt die großen Stückzahlen bewältigt. Do It Yourself: Eine ganz andere Methode, den Kunden in die Produktgestaltung einzubeziehen, stammt von dem für provokative Konzepte bekannten Designkollektiv Droog Design. Ihre Serie do create, die 2001 auf der Mailänder Möbelmesse vorgestellt wurde, liefert dem Käufer lediglich das Rohmaterial und eine Beschreibung, anhand der er sein individuelles Produkt zuhause selbst gestalten kann beziehungsweise muss, denn die Objekte fordern geradezu dazu auf, kreativ bearbeitet zu werden. Die Leuchte do scratch beispielsweise besteht aus einer Leuchtstoffröhre in einem schwarz beschichteten Gehäuse, das keinerlei Licht durchlässt. Erst durch Zerkratzen oder Einritzen eines Musters kann sie vom Käufer nutzbar gemacht werden. Do hit ist ein Sessel, der jedoch in seiner Rohform als Stahlblechkubus daher kommt. Mittels des mitgelieferten Vorschlaghammers muss er vom Besitzer selbst in Form gebracht werden. Die pragmatische und zuweilen auch ironische Grundhaltung von Droog Design ist in dieser Serie unverkennbar und wird mit dem Entwurf do design auf die Spitze getrieben: Er verweigert sich jeglicher Vorgabe und besteht nur noch aus Sperrholzplatten im Standardformat, die mit dem ‘do’-Label bedruckt sind und beliebige Verwendung finden können. Bewertung Do It Yourself: Trotz ihrer Tauglichkeit für eine massenhafte Produktion, wurden die do create Produkte nur in einer kleinen Auflage produziert und vertrieben. Grund dafür ist sicherlich, dass sie, angesichts der Gefahr der versehentlichen Verunstaltung, ein zu großes Maß an Mut und Eigenverantwortlichkeit vom Kunden verlangen. Sie sind daher eher als Experiment anzusehen, das die Möglichkeit der individuellen Massenproduktion auslotet. Der Anteil des Kunden besteht nicht nur darin, durch die Auswahl von Attributen sein persönliches Produkt zu konfigurieren, sondern direkt und aktiv in den Gestaltungsprozess einzugreifen, was zur Folge hat, dass die Grenzen zwischen Produzent und Konsument verschwimmen. Prosuming Der Zukunftsforscher Alvin Toffler sagte diese Tendenz in seinem 1980 erschienenen Buch Die dritte Welle voraus und prägte den Kunstbegriff des Prosuming. Der Prosument beschränkt sich nicht darauf, eine Auswahl zu treffen und Geld auszugeben, sondern liefert im Rahmen der Personalisierung entscheidende Markt- und Designinformationen, welche die Grundlage für die Erstellung des eigentlichen Gutes darstellen. Der Konsument wird Teil des Produktionsprozesses und somit zu einem gewissen Grad auch zum Produzenten des Gutes. Bereits neun Jahre zuvor hatte Toffler in seinem Buch Future Shock jedoch bereits eine weitere Entwicklung vorweg genommen: die der individualisierten Massenproduktion. In Anlehnung daran erschien 1987 Stan Davis´ Future Perfect in dem die Vorgehensweise ihren Namen Mass Customization erhielt. Mass Customization: Seit den frühen neunziger Jahren – verstärkt durch das Erscheinen der gleichnamigen MIT-Studie von Joseph Pine – ist die Mass Customization zu einer viel propagierten Erfolgsformel geworden, deren technischen Bedingungen sich beständig verbessern. Durch die zunehmende Digitalisierung der letzten Jahre und die Entwicklung computergestützter Herstellungsverfahren verschieben sich die Größen- und Skalenvorteile zugunsten einer weit individuelleren Fertigung, die auch in kleineren Stückzahlen rentabel sein kann. War in der industriellen Vergangenheit die Zerlegung von Abläufen und Standardisierung von massenproduzierbaren, gleichförmigen Gütern noch die Voraussetzung für Erfolg, besteht mittlerweile ein ‘hoher subjektiver Nutzen und damit eine hohe Zahlungsbereitschaft für Güter die den Eindruck vermitteln, ‘customized’, also genau auf spezielle Kundenbedürfnisse zugeschnitten zu sein. Der Mehrwert, der in diesen Gütern steckt, entspringt nicht aus den Skaleneffekten effizienter Produktion, sondern aus dem wahrgenommenen Wert, den diese Güter für jeden einzelnen Kunden haben.’ Auch die beinahe flächendeckende Vernetzung der Privathaushalte spielt eine wichtige Rolle, da die Mass Customization in vielen Fällen über das Internet bewältigt wird. Das einstige Vorzeige-Projekt NikeID ermöglicht dem interessierten Kunden, sich am heimischen Computer seinen einzigartigen Turnschuh zu gestalten und zu bestellen. Ausgangspunkt ist ein Rohling des Schuhs, dessen einzelne Komponenten, wie Sohle, Senkel die Schnittteile des Leders, über einen Materialkonfigurator in Farbe, Muster und Beschaffenheit variiert werden können. Zwar ist es außerdem möglich, ein eigenes Logo – eine persönliche ID – auf den Schuh sticken zu lassen, doch ist die Anlehnung des Konzepts an das Baukastenprinzip noch sehr deutlich erkennbar. Die individuelle Variierbarkeit beschränkt sich auf die Zusammenstellung und kommt damit nicht über das Niveau der Oberflächenkosmetik hinaus. Grund dafür ist die geringe Flexibilität in der Herstellungsweise der Schuhe, die nach wie vor an spezialisierten Maschinen erfolgt. ‘Ein Feuerwerk oberflächlicher Gestaltungsvarianten bei gleich bleibendem Kernprodukt ist das, was Massenhersteller bislang zumeist unter Mass Customization verstehen.’ Einen entscheidenden Schritt weiter gehen (ebenfalls Schuh-) Projekte von kleinen Herstellern, wie Selve und MyVale. Beide bedienen sich der Möglichkeit des 3D-Scannens, um Schuhe nicht nur in ihrer Äußerlichkeit, sondern auch in ihrer Ausformung individualisieren zu können. Bei Selve werden die Füße des Kunden im Geschäft mittels eines Fußscanners an fünf Punkten vermessen. MyVale sendet dem Käufer eine spezielle Footprint-Box zu, und ermöglicht ihm, seine Fußabdrücke in Memoryfoam abzubilden. Diese werden durch einen 3D-Scanner digitalisiert und, nach einer orthopädischen Überarbeitung, mithilfe einer computergesteuerten Maschine als Fußbett in das Sohlenmaterial gefräßt. Eine derartige Herstellung eines Alltagsprodukts mit der Losgröße eins wäre mit konventionellen Produktionsverfahren nicht möglich oder zumindest nicht rentabel. Sie wurde erst möglich, durch die sogenannten Rapid Manufacturing Technologien. Rapid Manufacturing bezeichnet jene Verfahren, bei denen ein Bauteil, ohne den Umweg über ein Werkzeug oder eine Gussform, direkt aus den Konstruktionsdaten aufgebaut wird. Ursprünglich unter dem Begriff Rapid Prototyping, wurden diese Technologien in den Entwicklungsabteilungen großer Konzerne zur Erzeugung von Modellen genutzt, doch sind sie längst in der Lage belastbare und alltagstaugliche Produkte herzustellen. Ob die zu fertigenden Teile alle gleich oder alle unterschiedlich sind, spielt beinahe keine Rolle und wirkt sich sowohl auf den Arbeitszeit-, als auch den Arbeitspreisfaktor nur geringfügig aus. Die Rapid Manufacturing Automaten stellen daher das genaue Gegenteil zu den spezialisierten Maschinen der klassischen Massenproduktion dar. Die revolutionärsten Rapid-Technologien finden sich im Bereich der additiven Verfahren, die umgangssprachlich als 3D-Drucken bezeichnet werden. Durch schichtweises Aneinanderfügen von Material können Volumina mit quasi unbegrenzten geometrischen Ausformungen aufgebaut werden. Ein Mass Customization Konzept, das sich dieser Technik bedient, ist das visionäre Diplomprojekt isopt der Produktdesignerin Susanne Stauch, bei dem keramische Gefäße vom Kunden virtuell gestaltet werden können. Da die Entwürfe jedoch schließlich im 3D-Druckverfahren produziert werden, handelt es sich bei dem Produktkonfigurator nicht um eine Auswahlpalette mit verschiedenen Oberflächenoptionen. Durch das Verziehen von Schnittkurven am Rohling, oder genauer an der Metaform, kann der Kunde die Form des Gefäßes an sich manipulieren und frei individualisieren. Auf spielerische Art und Weise kann so ein beliebiges Geschirrset aus verschiedenartigsten Formen generiert werden, das mit herkömmlichen Mitteln nur unter größtem Aufwand, beziehungsweise gar nicht, hergestellt werden könnte. Bei dem Konzept isopt handelt es sich bisher noch um eine Studie, doch gibt es ähnliche Projekte, die bereits realisiert wurden. Auf der Website http://n-e-r-v-o-u-s.com von nervous system können beispielsweise Schmuckstücke gestaltet werden. Die zumeist wie Schaumstrukturen aufgebauten Metaformen für Ringe, Armreife und Kettenanhänger werden live, mal durch direktes Verzerren der Gitterstruktur, mal durch Verschieben von Reglern, verändert und im Anschluss wahlweise aus Kunststoff oder Wachs gedruckt, wobei letztere in Sterling Silber abgegossen werden. Bewertung der Mass Customization: Auf den ersten Blick bietet die Mass Customization mit ihrer Kombination aus Einzelanfertigung und Massenfertigung erhebliche Vorzüge für Produzenten, wie auch Konsumenten. Wie immer jedoch ist die Realität um einiges komplexer und vielseitiger. Für Unternehmen ist insbesondere die Erschließung neuer Märkte ein wichtiger Vorteil. Durch die mannigfaltigen möglichen Produktausformungen wird ihre Angebotsauswahl potenziert und damit interessant für eine größere Zielgruppe. Die Informationen, die die Kunden bei ihrer Bestellung über ihre Präferenzen offenbaren, können Trends erkennen lassen und dem Hersteller, durch bessere Planbarkeit der Nachfrage, zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen. Da nicht auf Lager, sondern erst nach Auftrageingang produziert wird, entfallen Lagerhaltungskosten und das Risiko von Restposten und Ladenhütern. Zudem führt die Kaufabwicklung vor der Produktion zu einem höheren Cashflow und damit zu einer gesteigerten Liquidität des Unternehmens. Die Anschaffungskosten für Rapid Manufacturing Maschinen, die am Computer definierte Datensätze direkt auf ein physisches Material übertragen, sind im Sturzflug gefallen und mittlerweile bereits von Kleinunternehmern bewältigbar. Und schon heute ist es sogar nicht mehr unbedingt von Nöten, alle Maschinen, die zur Fertigung gebraucht werden, selbst zu besitzen. Das Produzieren mittels 3D-Technik wird mittlerweile auch als Dienstleistung angeboten; über das Internet werden die digitalen Datensätze an die Anbieter übermittelt, die diese in Mini-Fabriken selbsttätiger Automaten fertigen und per Post zurück senden. Optimisten gehen sogar davon aus, dass Maschinenparks dieser Art bald ähnlich wie Copyshops verbreitet und für die breite Masse zugänglich sein werden. Nachteile ergeben sich insbesondere für Unternehmen, die bislang auf klassische Massenproduktion eingestellt waren. ‘Das ganze Geschäftsmodell muss auf MC abgestimmt werden. Einkauf, Herstellung, Vertrieb, Kommunikation, alle Abläufe innerhalb der Organisation sind neu zu definieren.’ Da ein Mass Customizer nicht mehr bloß Produkte anbietet, sondern vielmehr Problemlösungen, besteht auch erhöhter Beratungsbedarf. Wie der Konfigurationsprozess und die Interaktion vom Kunden erlebt werden, hat große Auswirkungen auf seine Zufriedenheit. Bislang nur unzureichend geklärt ist die Frage nach Garantieleistungen und der Umtauschbarkeit der selbstkonfigurierten und meist einzigartigen Güter, wodurch es leicht zu Problemen mit unzufriedenen Kunden kommen kann. An der Schnittstelle der Hersteller mit den Einzelhändlern kann es ebenfalls zu Konflikten kommen, wenn deren Aufgabe nur noch darin besteht, Anlaufstelle für die Erfassung von Kundendaten zu sein. Für den Konsumenten wird durch die Mass Customization der Kontakt zum Hersteller erleichtert, obwohl er sich räumlich meist an einem ganz anderen Ort befindet. Vom heimischen Computer aus kann er mit dem Produzenten ohne den Umweg des Einzelhändlers kommunizieren, was häufig als Vorteil angesehen wird. Der Kunde muss keine Kompromisse eingehen, denn Sonderwünsche gehören zum Konzept. Er bekommt, im Besten Fall, ein Produkt, das seinen ganz persönlichen und Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht. Das Produkt ist dann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einzigartig und somit exklusiv, trotz des bezahlbaren Preises. Die ‘kreative Entfesselung’ durch die Teilnahme am Gestaltungsprozess funktioniert im Modell der Mass Customization erheblich besser, als in der bereits beschriebenen Do It Yourself Methode; der Kunde kann unendlich viel Zeit damit verbringen, an Reglern zu schieben, Kurven zu ziehen, und Muster auszuwählen, kann Zwischenstände speichern und vergleichen, bis er sich für genau sein Objekt entscheidet und dieses verbindlich ordert. Durch dieses Spiel mit der Gestaltung, das das Ausloten seiner eigenen Vorstellungen beinhaltet, vermag er häufig eine persönlichere Bindung zum Produkt aufzubauen. Als Mitgestalter kennt er die Optionen, Vorstufen und Beweggründe für Entwurfsentscheidungen und damit auch einen Teil der Geschichte des Gegenstandes. In Kauf nehmen muss der Kunde, durch die Möglichkeit der Individualisierung jedoch die Lieferzeiten, die das Production-On-Demand-Prinzip mit sich bringt, sowie teilweise auch höhere Preise. Der Eingriff in die Privatsphäre des Konsumenten ist ein nicht zu vernachlässigender Nachteil der Mass Customization. Trotz gewährleisteter Datensicherheit, kommen immer wieder Skandale ans Licht, die Zweifel an der leichtfertigen Preisgabe von persönlichen Informationen aufkommen lassen. Auch das Angebot, anhand seiner Daten künftig mit passenden Angeboten und personalisierter Werbung versorgt werden zu können, wird von vielen Konsumenten eher als unheimlich, oder zumindest als nicht wünschenswert empfunden. Die bereits beschriebene ‘kreative Entfesselung’ durch die Teilnahme am Gestaltungsprozess, wird nicht immer positiv erlebt, sondern häufig auch als Last empfunden. Oft haben Kunden keine klare Vorstellung davon, welche Lösung ihren Bedürfnissen am besten entspricht, wodurch die Verantwortung über die richtige Auswahl zu Unsicherheit und Ratlosigkeit führen kann. ‘Individuelles Handeln und Entscheiden im Sinne der freien, von sozialem Status und damit tradierten Zwängen unabhängigen Gestaltung des eigenen Lebens wird in einer wandlungsbeschleunigten, diskontinuierlichen, kulturell zerfallenden und von inflationär vielen Möglichkeitsfragmenten überfrachteten Welt häufig als Überforderung empfunden.’ Die Nachfrage nach individuellen Einzelstücken ist groß und der Wunsch, solche zu besitzen, erfasst immer mehr Menschen; die Freude an der Partizipation hält sich bisher jedoch noch in Grenzen und hört bei vielen spätestens dann auf, wenn nach einigem Ausprobieren eine Kaufentscheidung getroffen werden soll. Das Selbstgestalten erfordert nicht nur das Bewusstsein über eigene Bedürfnisse und Wünsche, sondern auch Mut und Kreativität. Wie es um das Kreativitätspotential unserer Gesellschaft bestellt ist und ob es sich verschiedenen Gesellschaftsschichten zuordnen lässt, ist auch von soziologischer Seite noch nicht geklärt. Ein Geschmackdiktat, wie August Lux es in seiner vernichtenden Beurteilung über die Fähigkeiten der breite Masse, für richtig hielt, scheint jedoch nicht für angebracht. Dennoch steht es außer Frage, dass es eine kreative Avantgarde gibt, die sich am ehesten angesprochen und befriedigt fühlt, von den Möglichkeiten der Partizipation an der Produktgestaltung. Manchmal wird sogar der Vorwurf laut, es handle sich bei diesen Mitmach-Methoden lediglich um ‘Design für Designer’. Der Einbezug des Kunden in den Gestaltungsprozess ist also eine mögliche, aber nicht immer die beste Reaktion auf die beschriebene Nachfrage. Im folgenden Kapitel sollen nun Methoden aufgezeigt werden, über die Unikate mit den Mitteln der Serienproduktion erzeugt werden können, wobei jedoch nicht der Kunde über deren Ausprägung entscheidet. Es geht hier vielmehr um experimentelle Methoden, die Zufallsphänomene zur Hilfe nehmen, um eine serienmäßige Erzeugung von Unikaten zu ermöglichen.


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epub2 - Letzte Änderung: 19.02.2024